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Geographisches Institut

Eis am Stiel in der Bodenforschung

Fruchtbarer Boden ist eine der Grundlagen für alles Leben auf der Erde. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist bereits ein Drittel davon verloren gegangen. Forschende des Geographischen Instituts haben nun mit einer neuartigen Methode die zeitlichen Schwankungen der Erosion und Neubildung des Bodens für die letzten 100'000 Jahre im Sila-Hochland in Süditalien dokumentiert.

Eis am Stiel

Erosionsprozesse stehen in direktem Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaveränderungen. Doch die Böden selbst sind als Archive für eine Rekonstruktion über lange Zeiträume ungeeignet. Denn mit dem Abtragen geht die Information über die Tiefe und das Volumen verloren. Sie kann nur mehr indirekt ermittelt werden. Bisher geschah das hauptsächlich über Ablagerungsraten aus Fluss- oder Seesedimenten. Die jahrtausendelange Entwicklung der erodierten Gebiete lässt sich so nicht herausfinden.

Den zeitlichen Verlauf der Freilegung ermitteln

Bestimmte vertikale Gesteinsformationen, sogenannte "Tors", können jedoch Aufschluss über den zeitlichen Verlauf der Bodenerosion vor Ort geben. Diese turmartigen, mehrere Meter hohen Strukturen sind mit dem steinigen Untergrund fest verbunden und scheinen aus der umliegenden Landschaft herauszuwachsen. "Man kann sich das wie beim Verzehr eines Eises am Stiel vorstellen, wenn das Holzstäbchen langsam aus der Eismasse herauswächst", sagt Gerald Raab, Erstautor der Studie. Oft bleibe durch die Farbe des Eises am Schluss gar eine Linie am Stiel übrig.

Ähnliche Spuren sind auch an den Gesteinsoberflächen der Tors zu finden, und zwar in Form von bestimmten Atomsorten, sogenannten Nukliden, die durch kosmische Strahlung entstehen und ansonsten nicht im Gestein vorkommen. Die Anzahl der Atome von diesen Nukliden steigt je länger die Gesteinsoberfläche der Strahlung ausgesetzt ist. So lässt sich berechnen, wann bestimmte Stellen der Oberfläche des Tors freigelegt wurden. Das Alter verschiedener Bereiche der Gesteinsoberfläche kann entlang vertikaler Profile ermittelt werden, und zwar kontinuierlich und über Jahrtausende hinweg.

Ein Tor im Sila-Hochland mit Datierung der verschiedenen Bereiche (Bild: Gerald Raab)

Enorme Bodenverluste in den letzten 60 Jahren

Das Team der Forscher und Forscherinnen hat diese Methode im Sila-Hochland in Kalabrien (Italien) angewandt. Dabei zeigte sich, dass der Bodenverlust in dieser Region in den letzten 60 Jahren dreimal höher als in den 100'000 Jahren davor war und über 1'000 Tonnen pro Quadratkilometer und Jahr erreichte. Diese hohen Verluste sind weitgehend auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen und können nicht durch die Neubildung von Boden kompensiert werden.

Diese Studie hat damit erstmals kontinuierlich die Veränderung der Bodenerosion über Jahrtausende hinweg vor Ort aufgeklärt. Sie legt eine wichtige Basis für ein ganzheitliches Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse und Mechanismen. Als nächsten Schritt verknüpfen die Forschenden diese Erkenntnisse mit Daten zu Landnutzungs- und Klimaveränderungen, mit dem Ziel, Vorhersagemodelle über die zukünftige Bodenentwicklung bereitzustellen.

Potentielles Bodenerosionsrisiko in Europa (modifiziert nach van der Kniff, Jones und Montanarella, 2000) mit Markierung der Studienregion in Süditalien. Die Daten wurden im Rahmen einer EU-Studie erhoben, bei der die Schweiz nicht berücksichtigt wurde.

Raab G, Scarciglia , Norton K, Dahms D, Brandová D, de Castro Portes R, Christl M, Kletterer ME, Ruppli A, Egli M (2018). Denudation variability of the Sila Massif upland (Italy) from decades to millennia using 10Be and 239+240Pu. Land Degradation and Development 29: 3736-3752. DOI: 10.1002/ldr.3120

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Gerald Raab

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