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Kaffee kann ökologisch nachhaltig und profitabel angebaut werden. Das zeigt die Forschung der Erdsystemwissenschaftlerin Maria J. Santos. Der Schlüssel dazu: die Kombination von Kaffeepflanzen und Bäumen.
Dem Duft von frisch gekochtem Kaffee kann auch Maria J. Santos nicht widerstehen. Die Wissenschaftlerin und Co-Direktorin des Universitären Forschungsschwerpunkts «Globaler Wandel und Biodiversität» liebt das geschmackvolle und anregende Getränk über alles. Da passt es gut, dass die Professorin für Erdsystemwissenschaften in ihren sozial-ökologischen Studien auch den Anbau der roten Kaffeefrüchte untersuchen kann. Eines ihrer Forschungsthemen ist die Agroforstwirtschaft – ein traditionelles und vielfältiges Produktionssystem, wo verschiedene Kulturpflanzen mit Bäumen kombiniert werden. «Das Prinzip der Agroforstwirtschaft ist weltweit verbreitet und alt», sagt Santos und verweist auf die jahrtausendealte Tradition der Korkeichenwälder in ihrem Heimatland Portugal. Die zwischen den schattenspendenden Korkeichen grasenden Schafe oder Ziegen erweitern die Nutzung der Baumlandschaften. Im Fall des Kaffees spenden Bananen- oder andere tropische Bäume Schatten, die zwischen die Bohnenstauden gepflanzt werden. Oder die Kaffeepflanzen können auch in lockere Baumbestände gesetzt werden.
Die Bäume schützen den Kaffee und verbessern das Mikroklima sowie die Lebensgrundlagen der Bäuerinnen und Bauern. «Die ökologischen Vorteile von Agroforstsystemen sind gut belegt», sagt Santos. Das Mischsystem erhöht die Artenvielfalt und die Speicherung von Kohlenstoff im Boden, macht die Plantagen resistenter gegenüber Schädlingen und braucht weniger Dünger – um nur einige der Vorteile zu nennen. Angesichts dieser Bilanz müssten Kaffeebauern in den tropischen Regionen dieses nachhaltige Produktionssystem klar bevorzugen, würde man denken. Doch auch beim Kaffeeanbau wird oft auf Monokulturen gesetzt. Die schattigen Agroforste machen weniger als einen Viertel der weltweiten Kaffeeplantagen aus, rechnet Santos vor. Meist sind es Subsistenzbauern, die auf diese Weise qualitativ hochwertige Arabica-Kaffeesorten auf kleineren Flächen zwischen ein bis zwei Hektaren anbauen. Der weitaus grössere Anteil von rund 40 Prozent der Kaffeeplantagen besteht hingegen aus besonnten und schattenfreien Grosskulturen, in denen häufig die anspruchsloseren Robusta-Sorten wachsen. Das restliche Drittel der Kaffeeplantagen sei irgendwo zwischen diesen beiden Anbausystemen anzusiedeln, erläutert Santos.
Ein Grund für diese Entwicklung liegt beim Ertrag. Beschattete Kaffeeplantagen sind bezogen auf die Fläche etwas weniger ertragreich – einerseits weil die Pflanzen aufgrund der Bäume weniger dicht beieinanderstehen, und andererseits weil die Produktivität der beschatteten Pflanzen etwas kleiner ist. Hinzu kommt, dass ihre Pflege mehr Handarbeit verlangt. Dennoch seien Agroforste in einer Gesamtschau profitabler, vor allem wenn die Vorteile hinsichtlich Biodiversität und Ökosystemleistungen berücksichtig würden, sagt Santos mit Nachdruck. Denn es brauche weniger Dünger, weniger Pestizide und dank der besseren Kaffeequalität und der damit verbundenen höheren Preise erzielten die Bauern eine bessere Rendite. «Für die Bauern zahlt es sich aus, auf den beschatteten Anbau von Kaffee umzustellen», sagt Santos und spricht von einer doppelten Dividende: Sowohl die Umwelt als auch der Bauernbetrieb profitierten. Dank der Diversifizierung auf verschiedene Kulturen sind die Familien zudem besser vor unberechenbaren Marktentwicklungen geschützt.
Die Qualität der Ökosysteme hat sich dank der Agroforstwirtschaft stark verbessert.
Ein interessantes Studiengebiet für Maria Santos ist Kolumbien, mit knapp einer Million Tonnen Kaffee jährlich das drittwichtigste Produktionsland weltweit. Als traditionelles Kaffeeanbaugebiet produzieren die kolumbianischen Campesinos seit Jahrhunderten Kaffee, ursprünglich in schattigen Agroforsten. In den 1970er-Jahren intensivierten sie allerdings die Anbaumethoden systematisch und wechselten zu besonnten Intensivplantagen. Eine Entwicklung, die in manchen Regionen (wie Risaralda) wieder rückgängig gemacht wurde. Damit ergab sich die Gelegenheit, in einer Längsschnittstudie zu untersuchen, inwieweit sich ökologische Grössen (Kohlenstoffgehalt im Boden, Artenvielfalt, Kaffeequalität, Erosion) im Verlauf der letzten vierzig Jahre entwickelt haben. «Wir wollten wissen, ob und inwieweit sich das Ökosystem und seine Leistungen neben dem Kaffeeanbau erhalten lassen.» Die detaillierten Analysen, unter anderem mithilfe von Satellitendaten, welche die räumliche Verteilung des Baumbestands nachzeichneten, lassen ein durchwegs positives Fazit zu: «Die Qualität der Ökosysteme hat sich dank der Agroforstwirtschaft rasch erholt und stark verbessert», sagt Santos. Eine entscheidende Rolle spielten dabei die verstreut eingepflanzten Bäume, die Schatten spenden und die Artenvielfalt erhöhen.
Der nachhaltige Kaffeeanbau wird an Bedeutung gewinnen. Die EU hat ein Gesetz erlassen, das den Import von Produkten wie Kaffee oder Kakao aus gerodeten Flächen verbietet. Damit soll der Abholzung von Urwald für die Landwirtschaft ein Riegel geschoben werden. Kaffeeimporteure auch in der Schweiz müssen ab Ende dieses Jahres nachweisen, dass ihr Produkt aus einem Gebiet kommt, das vor Ende 2020 unbewaldet war oder aus länger bestehenden Agroforstsystemen stammt. Maria Santos begrüssst diese Regulierung und das damit einhergehende Monitoring, denn sie dürfte dazu führen, dass diese nachhaltige Produktionsart wieder mehr Verbreitung findet. Den Mehrpreis, den sie als Konsumentin von Kaffee aus nachhaltiger und beschatteter Produktion zahlt, ist ihr das allemal wert.
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen UZH Magazin «Kostbare Vielfalt»