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Zwei Extremjahre vernichten 10 Prozent des Schweizer Gletschervolumens

Ein Extremjahr folgt auf das andere: verloren die Gletscher in der Schweiz 2022 6 Prozent an Volumen, so sind es 2023 4 Prozent – und damit der zweitstärkste Rückgang seit Messbeginn. Insgesamt verschwanden in nur zwei Jahren 10 Prozent des Eisvolumens, wie die Schweizerische Kommission für Kryosphärenbeobachtung der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz berichtet.

Der Rückgang der Zunge des Findelgletschers (VS) hat in nur wenigen Jahren ein grosses Tal bestehend aus Geröll und Toteis freigelegt. Bild: M. Huss

Titelbild: Die GIUZ-Mitarbeitenden Diego Wasser, Gabriele Bramati und Andreas Linsbauer unterhalb der Zunge des Findelgletschers (VS). Der Rückgang des Gletschers hat in nur wenigen Jahren ein grosses Tal bestehend aus Geröll und Toteis freigelegt. (Bild: M. Huss)

Die Gletscher der Schweiz schmelzen immer schneller. Die Beschleunigung ist dramatisch: in nur zwei Jahren ging so viel Eis verloren wie zwischen 1960 und 1990. Die beiden Extremjahre in Folge führen zum Zerfall der Gletscherzungen und dem Verschwinden von vielen kleinen Gletschern. So mussten etwa die Messungen beim St. Annafirn UR eingestellt werden.

Der massive Eisverlust ist auf den sehr schneearmen Winter und hohe Temperaturen im Sommer zurückzuführen. Die Gletscherschmelze betraf die ganze Schweiz. Im Süden und Osten der Schweiz schmolzen die Gletscher fast gleich stark wie im Rekordjahr 2022. Im südlichen Wallis und Engadin wurde auf über 3200 m – also einer Höhe, in der Gletscher bis vor kurzem noch im Gleichgewicht waren – wiederum eine Eisschmelze von mehreren Metern gemessen. Der mittlere Eisdickenverlust beträgt da bis zu 3 Meter (z.B. Griesgletscher VS, Ghiacciaio del Basòdino TI, Vadret Pers GR) und liegt deutlich über den Werten des Hitzesommers 2003. Etwas weniger dramatisch ist die Situation zwischen Berner Oberland und Wallis (z.B. Grosser Aletschgletscher VS, Glacier de la Plaine Morte BE), da dort im Winter nicht ganz so wenig Schnee lag. Dennoch ist der Verlust mit über 2 Metern an mittlerer Eisdicke sehr hoch.

Veränderung des Eisvolumens
Veränderung des Eisvolumens (Bild: GLAMOS)

Rekordtiefe Schneehöhen im Winter

Im Winter 2022/2023 fiel beidseits der Alpen kaum Niederschlag und es war sehr warm. In der Folge lag an allen Stationen deutlich weniger Schnee als üblich. Oberhalb von 1000 m stechen die Bedingungen im Februar und anfangs März heraus: In der ersten Februarhälfte waren die gemessenen Schneehöhen meistens noch etwas höher als in den schneearmen Wintern 1964, 1990 oder 2007. In der zweiten Februarhälfte aber sanken die Schneehöhen auf neue Rekorde und betrugen nur rund 30% des langjährigen Mittels. Auch oberhalb 2000 m zeigten mehr als die Hälfte der automatischen Stationen mit mindestens 25-jährigen Messreihen neue Rekord-Minima.

Im Frühling normalisierte sich die Situation kurz. Aber der trockene und sehr warme Juni führte dazu, dass der Schnee 2–4 Wochen früher schmolz als üblich. Der drittwärmste Sommer seit Messbeginn und eine zeitweise rekordhohe Nullgradgrenze bis in den September waren verantwortlich, dass vereinzelte Sommer-Schneefälle meist wieder rasch dahinschmolzen und daher den Gletschern kaum halfen.

  • Selbst Mitte September schmilzt das Eis des Vadret dal Murtèl (GR) auf einer Höhe von 3100 m.ü.M. am Fusse des Piz Bernina rapide. (Foto: M. Huss)
    Selbst Mitte September schmilzt das Eis des Vadret dal Murtèl (GR) auf einer Höhe von 3100 m.ü.M. am Fusse des Piz Bernina rapide. (Foto: M. Huss)
  • Nachbohren einer Messstange auf dem Griesgletscher (VS). Ein Netzwerk von Pegeln wie rechts im Bild erlaubt die Bestimmung des Verlustes auf der ganzen Gletscherfläche. (Foto: M. Huss)
    Nachbohren einer Messstange auf dem Griesgletscher (VS). Ein Netzwerk von Pegeln wie rechts im Bild erlaubt die Bestimmung des Verlustes auf der ganzen Gletscherfläche. (Foto: M. Huss)
  • 4.7 Meter Eis schmolzen im Jahr 2023 (rechts) am Konkordiaplatz, Grosser Aletschgletscher, weg. 2022 (links) waren es 6.3 Meter und zwischen 1950 und 1980 im Mittel 2.5 Meter. (Foto: M. Huss)
    4.7 Meter Eis schmolzen im Jahr 2023 (rechts) am Konkordiaplatz, Grosser Aletschgletscher, weg. 2022 (links) waren es 6.3 Meter und zwischen 1950 und 1980 im Mittel 2.5 Meter. (Foto: M. Huss)
  • Das Verschwinden des ikonischen Eisgrats zum Piz Murtèl (GR), gesehen von der Bergstation des Piz Corvatsch, zeigt die Umgestaltung des Hochgebirges eindrücklich. (Foto: M. Huss)
    Das Verschwinden des ikonischen Eisgrats zum Piz Murtèl (GR), gesehen von der Bergstation des Piz Corvatsch, zeigt die Umgestaltung des Hochgebirges eindrücklich. (Foto: M. Huss)
  • Nur in grosser Höhe, wie hier am Jungfraujoch (BE/VS) blieb noch etwas Schnee von letztem Winter übrig. (Foto: R. Moser)
    Nur in grosser Höhe, wie hier am Jungfraujoch (BE/VS) blieb noch etwas Schnee von letztem Winter übrig. (Foto: R. Moser)
  • Die Zunge des Rhonegletscher (VS) bricht in sich zusammen. Die künstliche Gletscherabdeckung kann dies nicht verhindern. (Foto: M. Huss)
    Die Zunge des Rhonegletscher (VS) bricht in sich zusammen. Die künstliche Gletscherabdeckung kann dies nicht verhindern. (Foto: M. Huss)
  • Das Messprogramm am St. Annafirn (UR) wurde aufgrund des starken Schwundes und Steinschlaggefahr aufgegeben. (Foto: M. Huss)
    Das Messprogramm am St. Annafirn (UR) wurde aufgrund des starken Schwundes und Steinschlaggefahr aufgegeben. (Foto: M. Huss)
  • Glaziologen steigen über die zerfallende Zunge des Findelgletschers (VS) ab. Noch vor einem Jahrzehnt waren die leuchtend blauen Gletscherseen von Dutzenden Metern Eis bedeckt. (Foto: M. Huss)
    Glaziologen steigen über die zerfallende Zunge des Findelgletschers (VS) ab. Noch vor einem Jahrzehnt waren die leuchtend blauen Gletscherseen von Dutzenden Metern Eis bedeckt. (Foto: M. Huss)
  • Die Umgebung der gewaltigen Gletscherfläche der Plaine Morte (BE) wird immer mehr zu einem Geröllfeld. (Foto: M. Huss)
    Die Umgebung der gewaltigen Gletscherfläche der Plaine Morte (BE) wird immer mehr zu einem Geröllfeld. (Foto: M. Huss)
  • Unter dem Gletschereis bilden Schmelzwasser und Luftströmungen eindrückliche Hohlräume. (Foto: M. Huss)
    Unter dem Gletschereis bilden Schmelzwasser und Luftströmungen eindrückliche Hohlräume. (Foto: M. Huss)
  • Der Zerfall des Griesgletschers (VS) schreitet schnell voran: Vor einem Jahr entdeckte man am Grund einer Spalte inmitten des Gletschers Fels. Nun ist eine regelrechte Felsinsel entstanden (Foto: A. Linsbauer / D. Farinotti)
    Der Zerfall des Griesgletschers (VS) schreitet schnell voran: Vor einem Jahr entdeckte man am Grund einer Spalte inmitten des Gletschers Fels. Nun ist eine regelrechte Felsinsel entstanden (Foto: A. Linsbauer / D. Farinotti)

Schweizer Gletschermessnetz (GLAMOS)

Weiterführende Informationen

Das Schweizer Gletschermessnetz (GLAMOS) wird durch die ETH Zürich und die Universitäten Fribourg und Zürich betrieben. Es ist finanziert durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz im Rahmen von GCOS Schweiz, die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und swisstopo.

Medienmitteilung der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT)
28.09.2023

Kontakt

Dr. Andreas Linsbauer
Unversität Zürich
Geographisches Institut

Tel.: 044 63 55208
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