Navigation auf uzh.ch
Ein neuartiges Navigationssystem lässt Fussgänger:innen selbst entscheiden, welchen Weg sie innerhalb eines gewissen Gebietes wählen möchten. So eignen sie sich eine Menge an räumlichem Wissen an – und haben auch noch Spass dabei.
Im Stadtdschungel den Weg von A nach B finden? Kein Problem dank Navigationssystemen wie beispielsweise Google Maps. Doch die meisten Menschen nehmen dabei kaum die Umgebung wahr und eignen sich wenig räumliches Wissen an. Und fühlen sich oftmals bevormundet, da sie die Route nicht nach ihren Wünschen gestalten können.
Forschende des Geographischen Instituts haben nun den Prototyp eines Navigationssystems entwickelt, das die Nutzer:innen nicht auf eine vorgegebenen Weg beschränkt. Vielmehr definiert es auf der Karte einen Bereich, der aus allen potentiellen Routen besteht, mit denen sie das Ziel innerhalb einer gewissen Zeit erreichen können. Sie entscheiden selbst: Laufe ich entlang der Hauptstrasse oder schlendere ich lieber durch den Park? Mit der Annäherung an das Ziel passt sich die sogenannte «Potential Route Area» kontinuierlich an. Innerhalb dieses Gebiets können die Nutzer:innen jederzeit ihren Weg ändern, und erreichen trotzdem ihr Ziel innerhalb der gewählten Umwegtoleranz. Markante Orientierungspunkte wie beispielsweise ein Sendeturm oder eine Kirche werden auf der Karte angezeigt und helfen, sich im Raum zurechtzufinden.
In der Stadt Winterthur liess Thomas Mathis im Rahmen seiner Masterarbeit die Testpersonen sowohl mit dem neuen System als auch mit der herkömmlichen Turn-by-Turn-Navigationsführung von Google Maps von einem festgelegten Anfangs- zu einem Zielpunkt gelangen. Dabei wurde aufgezeichnet, welche Route sie wählten, wie lange sie unterwegs waren und wie viel sie mit dem Navigationssystem interagierten.
Mit dem neuartigen System folgten die Testpersonen selten dem kürzesten Weg und waren auch etwas länger unterwegs. Sie eigneten sich jedoch mehr räumliches Wissen über die Umgebung an: Die gewählte Route konnten sie danach in Zeichnungen detaillierter wiedergeben und die Richtung, aus der sie gekommen waren, etwas besser abschätzen. Und sie hatten signifikant mehr Spass als bei der Nutzung von Google Maps.
Vorläufig bleibt dieses neue Navigationssystem jedoch ein Prototyp. Eine kommerzielle Nutzung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. «Unsere Studie zeigt aber, dass die Leute das Gefühl schätzen, ein Navigationssystem zu steuern anstatt von ihm gesteuert zu werden», sagen die Autoren der Studie, Haosheng Huang, Thomas Mathis und Robert Weibel. «Ausserdem setzen sie sich aktiv mit der Umgebung auseinander und lernen dabei eine Menge über den Raum, durch den sie sich gerade bewegen.» So liesse sich in vielen Alltagssituationen das Nützliche mit dem Vergnüglichen verbinden: unsere «Karte im Kopf» aufzubauen, die hilft, uns selbständig im Stadtdschungel zu orientieren.
Haosheng Huang, Thomas Mathis & Robert Weibel (2021) Choose your own route – supporting pedestrian navigation without restricting the user to a predefined route, Cartography and Geographic Information Science
Thomas Mathis (2020): "Choose your own route" - Supporting pedestrian navigation without restricting the user to a predefined route. MSc Thesis, Department of Geography
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