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Können grosse Vulkanausbrüche die Gletscher retten?

Bisher ging man davon aus, dass grosse Vulkanausbrüche zu einem Massengewinn und zu einem Vorstoss der Gletscher weltweit führen. Michael Zemp, Glaziologe am GIUZ, und Ben Marzeion, Klimawissenschafter an der Universität Bremen, haben untersucht, ob das auch unter dem aktuellen Klimawandel noch gilt.

Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo in den Philippinen in 1991 (links) und der Oberaargletscher in der Schweiz (rechts).
Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo in den Philippinen in 1991 (links) und der Oberaargletscher in der Schweiz (rechts). Wie kann ein Vulkanausbruch die Massenbilanz der Gletscher rund um die Welt beeinflussen? Bildquellen: Pinatubo von http://volquake.weebly.com, Oberaargletscher im Jahr 2020 von M. Zemp.

Bei einem Vulkanausbruch werden enorme Mengen an Asche und Schwefelgasen in die Atmosphäre geschleudert. Diese vulkanischen Aerosole schatten das einfallende Sonnenlicht ab und beeinflussen damit das globale Klima. Das kann zu einem Massengewinn und einem Vorstoss von Gletschern führen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat dieser Effekt jedoch aufgrund der stark ansteigenden Treibhausgaskonzentrationen an Bedeutung verloren.

Die vorliegende Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Gletscherveränderungen von 1961 bis 2005 und Beobachtungen von durch den Menschen freigesetzten Treibhausgasen, vulkanischen und Sonnenaktivitäten sowie einem Phänomen im Zusammenhang mit der Meerestemperatur namens El Niño-Southern Oscillation. Der globale Massenverlust der Gletscher wurde hauptsächlich durch den Anstieg der anthropogenen Treibhausgase verursacht, unterbrochen von nur wenigen Jahren mit Massenzunahme nach großen Vulkanausbrüchen.

Die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen auf Klima und Gletscher. Schematische Darstellung der vulkanischen Einträge in die Atmosphäre und deren Auswirkungen auf Klima- und Gletschermassenänderungen in Abhängigkeit von der Explosivität (y-Achse) und der räumlichen Entfernung (x-Achse) zum Ausbruch. Auf lokaler bis regionaler Ebene reagieren Gletscher mit gegenläufigen Massenbilanzanomalien: 1. Negativ durch Eisabtrag aus der Explosion und Schmelzen durch heisse Lava (erster Berg im roten Sektor), 2. Positiv durch Isolierung unter dicken Ascheschichten (zweiter Berg im blauen Sektor) und 3. Negativ aufgrund reduzierter Schnee- und Eisalbedo durch dünne Ascheschichten (dritter Berg im roten Sektor). Eruptionen, die die Stratosphäre erreichen, führen zu 4. (vierter Berg unterhalb des blauen Sektors): positive Anomalien der Massenbilanz aufgrund von reduzierter Sonneneinstrahlung und Nettoabkühlung an der Landoberfläche. Abbildung von S. Steinbacher, UZH, modifiziert nach Robock (2000, Reviews of Geophysics).

Wenn der Mount Pinatubo 2036 wieder ausbrechen würde

Mit steigenden Treibhausgaskonzentrationen nimmt jedoch die Relevanz von Vulkanausbrüchen ab. In der Arbeit wird dies am Beispiel des Mount Pinatubo, einem Vulkan auf den Philippinen, illustriert. Der Ausbruch im Jahr 1991 war der grösste Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts und konnte das Schmelzen der Gletscher auf globaler Ebene für ein Jahr stoppen. In einem Modellierungsexperiment wiederholten die Autoren den Pinatubo-Ausbruch 1856, 1901, 1946, 1991 und 2036 in 45-Jahres-Intervallen.

Dieses Experiment zeigt deutlich die schwindende Bedeutung von Vulkanausbrüchen für den globalen Nettohaushalt der Gletscher. Während die hypothetischen Eruptionen im 19. Jahrhundert über einige Jahre hinweg zu deutlichen Perioden globalen Massenzuwachses führten, könnte eine Wiederholung des Pinatubo-Ausbruchs im Jahr 2036 den Eisverlust durch anthropogene Antriebe bei weitem nicht kompensieren. Für dieses Zukunftsszenario wäre für einen effektiven globalen Massengewinn der Gletscher ein Ereignis mit der zwei- bis dreifachen Strahlungswirkung der Pinatubo-Eruption erforderlich.

Globale Gletschermassenänderungen aus der Modellierung von 1850 bis 2012. (a) Gletschermassenänderungen (ΔM) sind als Rekonstruktion aus dem multivariaten Regressionsmodell (kalibriert mit Beobachtungen von 1961-2005) bis 1850 dargestellt. (b) Beiträge zur globalen Gletschermassenänderungen durch anthropogene und vulkanische Antriebe. Zeiträume nach der Eruption von drei Jahren sind für die grossen Ereignisse durch graue Schattierungen gekennzeichnet.

Literatur

Zemp, M., & Marzeion, B. (2021). Dwindling relevance of large volcanic eruptions for global glacier changes in the Anthropocene. Geophysical Research Letters, 48, e2021GL092964.

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Prof. Michael Zemp

Geographisches Institut

Universität Zürich

Telefon: +41 44 635 51 39

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Prof. Ben Marzeion

Institut für Geographie und MARUM – Zentrum für Marine Umwelt­wissen­schaften, Universität Bremen, Deutschland 

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Literature

Zemp, M., & Marzeion, B. (2021). Dwindling relevance of large volcanic eruptions for global glacier changes in the Anthropocene. Geophysical Research Letters, 48, e2021GL092964.

In den Medien

Könnten ausgerechnet Vulkane die Gletscher retten?

Tagesanzeiger, 1. Juli 2021