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In hochalpinen Regionen hält Eis lockere Geröllmassen zusammen. Welchen Einfluss das Klima auf Blockgletscher hat, berechnet Alessandro Cicoira im Rahmen seiner Dissertation.
Beim Stichwort Gletscher denken viele vor allem an glitzerndes, bläulich schimmerndes Eis. Aber Blockgletscher sehen ganz anders aus.
Richtig, auf den ersten Blick sieht man nur den Schutt. Blockgletscher bestehen aus Geröll, Erde und aus Eis, das das Ganze zusammenhält. Sie bewegen sich langsam tal- oder hangabwärts und bilden typische Formen, wie beispielsweise Zungen und Wülste. Ihre Entstehung und ihr Verhalten unterscheiden sich jedoch von denen der Eisgletscher.
Was untersuchst du genau?
Ich beschäftige mich mit der Dynamik ihrer Bewegung. Wir wissen schon recht genau, wie sich die Blockgletscher bewegen, aber noch nicht warum. Wir haben langjährige Messreihen zum Permafrost in den Schweizer Alpen, vor allem aus dem Swiss Permafrost Monitoring Network (PERMOS). Für einige Blockgletscher haben wir jetzt auch kontinuierliche Daten zu ihren Oberflächengeschwindigkeiten durch GPS-Messungen. Einige wichtige Fragen sind aber noch offen. Welche Auswirkungen haben steigende Temperaturen? Welchen Einfluss haben Schneeschmelze und Regen? Hier setzt meine Dissertation an.
Lange dachte man, dass die Temperatur - und damit die Wärmeleitung in die Tiefe des Blockgletschers hinein - die treibende Kraft für die Variationen des Fliessverhalten ist. Diese beobachten wir sowohl zwischen Sommer und Winter als auch über mehrere Jahre hinweg. Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer. Wir untersuchen jetzt den Einfluss von Regen und Schneeschmelze auf die Dynamik des Blockgletschers. Dafür haben wir numerische Modelle entwickelt. Und in der Tat: Wieviel Wasser im Gletscher ist, beeinflusst hauptsächlich das jahreszeitliche Fliessmuster.
Warum ist es wichtig, das zu verstehen?
Mit dem Klimawandel wird der Permafrost im Hochgebirge bis in tiefere Schichten auftauen. Das Eis kann dann brüchigen Fels und steile Hängen nicht mehr stabilisieren. Die Folge werden vermehrte Hangrutschungen und Felsstürze sein. Nur wenn wir diese Zusammenhänge verstehen, können wir mit den Naturgefahren umgehen.
Wie bist du zu diesem Thema gekommen?
Ich habe Umweltingenieurwesen in Trento in Italien studiert, mit dem Schwerpunkt Naturgefahren. Im letzten Jahr meines Studiums habe ich mich mit Lawinendynamik beschäftigt und dann meine Masterarbeit am SLF in Davos gemacht. Dort habe ich eine Forschungskultur kennengelernt, die mich sehr angesprochen hat. Die Hierarchie war flach, jeder konnte seine Ideen einbringen und umsetzen. Das hat meine Lust geweckt, in der Forschung weiterzuarbeiten. Und die Geomorphodynamik ist ein recht junges Forschungsgebiet. Da hat man bald mal die Möglichkeit, was Substanzielles beizutragen.
Glaziologie hast du nie studiert. Wie hast du dir diese Kenntnisse angeeignet?
Zum Beispiel an Sommerschulen. Eine davon war in Spitzbergen. Fünf Wochen lang hatten wir Theorie, Feldarbeit und auch noch einen individuellen Forschungsauftrag. Das war sehr spannend und sehr anstrengend. Wir wollten viel von der eindrücklichen Landschaft erleben und sind daher nach dem Abendessen zum Wandern aufgebrochen und zum Frühstück wieder zurückgekommen. Es war ja rund um die Uhr hell. Aber am Schluss war ich fix und fertig!
Ich finde diese Aktivitäten neben der eigentlichen Forschungsarbeit sehr wichtig. Man kann einen PhD auch relativ 'quick and dirty' machen. Aber diese Kurse und das damit verbundene Networking geben dir eine ganzheitlichere Sichtweise. Und es gibt ja so viele Möglichkeiten! Ich habe beispielsweise auch Kurse in Projektmanagement, Vortragstechniken und Stimmtraining gemacht. Das hat einen Wert, der weit über den PhD hinausgeht und mir viel für meine berufliche und persönliche Entwicklung bringt.
Und dann hast du einmal noch eine Ausbildung als Lawinensprengassistent gemacht.
Ja, das war während eines Praktikums bei der AINEVA, dem italienischen Pendant zum SLF. Ich musste dort viel trockene Arbeit gemacht, Schneeprofile graben, Lawinen kartieren und so weiter. Da war das eine willkommene Abwechslung. Den Umgang mit dem Sprengstoff zu lernen, war sehr spannend. Aber zünden durfte dann doch nur der Chef!
In den Bergen unterwegs zu sein, das begleitet mich mein Leben lang. Als ich noch in Südtirol lebte, habe ich regelmässig Kinder und Jugendliche auf Wanderungen und Gletschertouren begleitet. Jetzt sind vor allem Schitouren meine grosse Leidenschaft. Wenn es irgendwie geht, bin ich jedes Wochenende unterwegs.
Cicoira, A, Beutel, J, Faillettaz, J, Gärtner-Roer, I, and Vieli, A: Resolving the influence of temperature forcing through heat conduction on rockglacier dynamics: a numerical modelling approach, The Cryosphere Discuss, https://doi.org/10.5194/tc-2018-176, in review, 2018.
Swiss Permafrost Monitoring Network (PERMOS)
Glaciology and Geomorphodynamics, Department of Geography, UZH