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Die Gletscher schmelzen, die klimatischen Bedingungen ändern sich - das stellt die lokale Bevölkerung vor grosse Herausforderungen. Was sind die Folgen für den Wasserhaushalt und die Sedimentverfügbarkeit im Lötschental?
Das Jahr 2018 war prägend. Es war trocken, heiss und dürfte wohl als Vorbote für zukünftige Entwicklungen stehen. Das Klima ändert sich - und damit unsere bis anhin bekannten Lebensräume. Die Gletscher spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie speichern Wasser und stabilisieren das Gelände. Heute überbrückt die grosse Eisschmelze im Sommer die fehlenden Niederschläge, doch wie lange noch? Ist das Eis weg, fehlt nicht nur das Wasser, sondern es liegen auch grosse schuttbedeckte Gebiete brach. Schutt, der durch Starkniederschläge vermehrt als Murgang mobilisiert werden kann. Beide Aspekte stellen das Lötschental und seine Bevölkerung vor grosse Herausforderungen.
Das Lötschental befindet sich zwischen dem Rhonetal und der Walliser Grenze zum Berner Oberland. Es wird durch diverse Messstationen überwacht und bietet daher genügend Daten, um ein Modell des Wasserhaushalts zu generieren. Wieviel Wasser führt der Talfluss Lonza im Hauptgerinne, und woher stammt es? Die Frage nach dem Ursprung des Wassers ist essentiell, wenn es um eine Zukunftsperspektive für den Wasserhaushalt des Tals geht.
Basierend auf Temperatur- und Niederschlagsmessungen, der vorhandenen Gletscherfläche und der Verdunstung durch die Vegetation, konnte ein Modell für den Wasserhaushalt hergeleitet werden. Es beschreibt den gemessenen Abfluss der Lonza durch die verschiedenen Einzelfaktoren Regen, Schneeschmelze und Gletscherschmelze. Dabei zeigte sich, dass über die Hälfte des heutigen Abflusses von Gletschern stammt. Eine grosse Hypothek in Anbetracht der hohen Schmelzraten der Eisreserven.
Für die Zukunftsperspektive wurde das Modell anschließend um die Klimaszenarien CH2018 erweitert. Dabei zeigte sich eine Akzentuierung der Schmelzwasserproblematik: Für das pessimistischste Klimaszenario wurden Einbrüche im Wasserhaushalt von bis zu minus 84 Prozent in den Sommermonaten berechnet.
Gletscher produzieren enorme Mengen an Schutt. Solange das Gletschereis fliesst und die Schuttmassen bearbeitet, ist dies kein Problem. Schmilzt jedoch das Eis, werden diese vormals vergletscherten Gebiete destabilisiert. Schutt wird durch den Wechsel von Trockenperioden und Starkniederschlägen mobilisiert, Murgänge befördern Geschiebe in das Tal. Neben der Gefahr für Menschenleben entstehen dadurch häufig auch enorme Kosten.
Die Südostseite des Lötschentals beherbergt viele steile Gletscher, einige der dazugehörigen Gerinne weisen schon heute hohe Murgangaktivitäten auf. Doch woher stammt das Material genau? Wie werden sich die ehemals vergletscherten Gebiete weiterentwickeln?
Aus dem Helikopter wurde die Oberfläche des betreffenden Gebiets photogrammetrisch vermessen. Dabei wird das Studiengebiet aus verschiedenen Winkeln fotografiert. Rechenprogramme können daraus räumliche Strukturen generieren - genauso, wie unsere Wahrnehmung durch die Augen funktioniert. Die Befliegung dauerte knapp eine halbe Stunde und ergab über 4000 Fotos. Das berechnete Höhenmodell wurde anschließend mit der neuesten Version von SwissTopo aus dem Jahre 2011 (swissALTI3D) verglichen.
In den letzten sieben Jahre verloren die meisten Gletscher um die 10 Meter Eisdicke, teilweise auch bis zu 60 Meter. Gewisse Gletscherzungen, welche auf einer sich abflachenden Geländestufe aufliegen, zeigten jedoch eine Zunahme der Eismächtigkeit. Ein Grund dafür könnte sein, dass erhöhte Temperaturen zu höheren Fliessgeschwindigkeiten des Eises führen. So dünnt es an steilen Stellen aus, gewinnt aber in flachen Gebieten an Mächtigkeit. Die Folge ist, dass viel Schutt in darunterliegende steilere Geländekammern transportiert und von dort aus mobilisiert werden kann. Schmelzen die Eiszungen, werden die Geländestufen den Transportweg des Geschiebes unterbrechen und es dürfte weniger häufig ein Murgang ausgelöst werden. Wird aber einer ausgelöst, dürfte er aufgrund der grösseren Sedimentverfügbarkeit grösser ausfallen als bisher.
Diese Masterarbeit fand im engen Austausch mit den lokalen Behörden statt. Die Resultate wurden anschließend im Talrat präsentiert. Sie bilden eine Grundlage für die lokalen Entscheidungsträger, um Massnahmen gegen drohende Murgänge und Wasserknappheit zu planen.
Matthias Nyfeler