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Department of Geography

#49: Wenn das Eis fehlt: Das Lötschental und seine Zukunft

Die Gletscher schmelzen, die klimatischen Bedingungen ändern sich - das stellt die lokale Bevölkerung vor grosse Herausforderungen. Was sind die Folgen für den Wasserhaushalt und die Sedimentverfügbarkeit im Lötschental?

helikopter
Aus dem Helikopter wurde die Oberfläche des betreffenden Gebiets photo­grammetrisch vermessen. (Bild: Elias Kaiser)

Das Jahr 2018 war prägend. Es war trocken, heiss und dürfte wohl als Vorbote für zukünftige Entwicklungen stehen. Das Klima ändert sich - und damit unsere bis anhin bekannten Lebensräume. Die Gletscher spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie speichern Wasser und stabilisieren das Gelände. Heute überbrückt die grosse Eisschmelze im Sommer die fehlenden Niederschläge, doch wie lange noch? Ist das Eis weg, fehlt nicht nur das Wasser, sondern es liegen auch grosse schuttbedeckte Gebiete brach. Schutt, der durch Starkniederschläge vermehrt als Murgang mobilisiert werden kann. Beide Aspekte stellen das Lötschental und seine Bevölkerung vor grosse Herausforderungen.

Den Wasserhaushalt der Gebirgsregionen verstehen

Das Lötschental befindet sich zwischen dem Rhonetal und der Walliser Grenze zum Berner Oberland. Es wird durch diverse Messstationen überwacht und bietet daher genügend Daten, um ein Modell des Wasserhaushalts zu generieren. Wieviel Wasser führt der Talfluss Lonza im Hauptgerinne, und woher stammt es? Die Frage nach dem Ursprung des Wassers ist essentiell, wenn es um eine Zukunftsperspektive für den Wasserhaushalt des Tals geht.

Überblick über das Studiengebiet im Lötschental.

Basierend auf Temperatur- und Niederschlagsmessungen, der vorhandenen Gletscherfläche und der Verdunstung durch die Vegetation, konnte ein Modell für den Wasserhaushalt hergeleitet werden. Es beschreibt den gemessenen Abfluss der Lonza durch die verschiedenen Einzelfaktoren Regen, Schneeschmelze und Gletscherschmelze. Dabei zeigte sich, dass über die Hälfte des heutigen Abflusses von Gletschern stammt. Eine grosse Hypothek in Anbetracht der hohen Schmelzraten der Eisreserven.

Für die Zukunftsperspektive wurde das Modell anschließend um die Klimaszenarien CH2018 erweitert. Dabei zeigte sich eine Akzentuierung der Schmelz­wasser­problematik: Für das pessimistischste Klimaszenario wurden Einbrüche im Wasserhaushalt von bis zu minus 84 Prozent in den Sommermonaten berechnet.

Systemübersicht über das angewandte hydrologische Modell.

Murgänge bedrohen die Täler

Gletscher produzieren enorme Mengen an Schutt. Solange das Gletschereis fliesst und die Schuttmassen bearbeitet, ist dies kein Problem. Schmilzt jedoch das Eis, werden diese vormals vergletscherten Gebiete destabilisiert. Schutt wird durch den Wechsel von Trockenperioden und Starkniederschlägen mobilisiert, Murgänge befördern Geschiebe in das Tal. Neben der Gefahr für Menschenleben entstehen dadurch häufig auch enorme Kosten.

Die Südostseite des Lötschentals beherbergt viele steile Gletscher, einige der dazugehörigen Gerinne weisen schon heute hohe Murgangaktivitäten auf. Doch woher stammt das Material genau? Wie werden sich die ehemals vergletscherten Gebiete weiterentwickeln?

Vermessung der Südseite aus dem Helikopter

Aus dem Helikopter wurde die Oberfläche des betreffenden Gebiets photo­grammetrisch vermessen. Dabei wird das Studiengebiet aus verschiedenen Winkeln fotografiert. Rechenprogramme können daraus räumliche Strukturen generieren - genauso, wie unsere Wahrnehmung durch die Augen funktioniert. Die Befliegung dauerte knapp eine halbe Stunde und ergab über 4000 Fotos. Das berechnete Höhenmodell wurde anschließend mit der neuesten Version von SwissTopo aus dem Jahre 2011 (swissALTI3D) verglichen.
 
In den letzten sieben Jahre verloren die meisten Gletscher um die 10 Meter Eisdicke, teilweise auch bis zu 60 Meter. Gewisse Gletscherzungen, welche auf einer sich abflachenden Geländestufe aufliegen, zeigten jedoch eine Zunahme der Eismächtig­keit. Ein Grund dafür könnte sein, dass erhöhte Temperaturen zu höheren Fliess­geschwindigkeiten des Eises führen. So dünnt es an steilen Stellen aus, gewinnt aber in flachen Gebieten an Mächtigkeit. Die Folge ist, dass viel Schutt in darunter­liegende steilere Geländekammern transportiert und von dort aus mobilisiert werden kann. Schmelzen die Eis­zungen, werden die Geländestufen den Transport­weg des Geschiebes unterbrechen und es dürfte weniger häufig ein Murgang ausgelöst werden. Wird aber einer ausgelöst, dürfte er aufgrund der grösseren Sediment­verfügbarkeit grösser ausfallen als bisher.

Prozesse, die zu anfälligen Schuttansammlungen führen: Der Birchgletscher transportiert hauptsächlich Granit vom Bietschhorn, während die seitlichen Flanken von verwitterten (rötlichen) Biotit-Gneisen geprägt sind.

Diese Masterarbeit fand im engen Austausch mit den lokalen Behörden statt. Die Resultate wurden anschließend im Talrat präsentiert. Sie bilden eine Grundlage für die lokalen Entscheidungsträger, um Mass­nahmen gegen drohende Murgänge und Wasserknappheit zu planen.

Matthias Nyfeler

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Weiterführende Informationen

Glaciology and Geomorphodynamics

Matthias Nyfeler