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Die Gletscher und ihre Veränderungen aufgrund des Klimawandels sind in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent. Auch bei uns am Geographischen Institut sind sie ein zentrales Thema. Doch das ist nicht neu. Schon vor 125 Jahren, im Gründungsjahr des GIUZ, waren sie für Forschung und Öffentlichkeit von grossem Interesse.
Damals hatte sich gerade die systematische jährliche Vermessung der Schweizer Gletscher etabliert, welche noch heute durch das Schweizerische Gletschermessnetz GLAMOS weitergeführt wird. Auch das GIUZ ist daran beteiligt. Im Jahre 1895 zeigten die meisten der 106 gemessenen Gletscher nach einer kurzen Wiedervorstossphase einen leichten Rückzugstrend. Bis heute haben sie im Mittel über einen Kilometer an Länge verloren.
Schweizerisches Gletschermessnetz GLAMOS
1895, das Gründungsjahr des GIUZ, war auch durch den Gletschersturz vom Altels im Berner Oberland stark geprägt. Am 11. September 1895 stürzten über 4 Millionen Kubikmeter Eis von der Flanke des Altels mehr als tausend Höhenmeter zu Tale und begruben die Alpweide Spittelmatte unter sich. Sechs Menschen und 158 Stück Grossvieh fanden dabei den Tod. Auch Butter, Käse und Ziger des ganzen Sommers waren verloren. Das Eis wurde während des Sturzes vollständig zerrieben und erreichte beim Auftreffen auf dem Talboden Geschwindigkeiten von über 400 Stundenkilometer. Der damit verbundene Windwurf zerstörte neben Bäumen auch die Alphütten vollständig. Kühe wurden laut Bericht der Gletscherkommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft über 300 Höhenmeter den Gegenhang hinauf geschleudert. Mit diesem enormen Abbruchvolumen war es wohl das grösste Gletschersturzereignis in der Schweiz in historischer Zeit.
Heim A., L DuPasquier and F-A. Forel (1896) Gletscherlawine an der Altels am 11. September 1895. Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 98.
Ebenfalls ins Jahr 1895 fällt die Herausgabe des ersten Gletscherberichts der im Jahr davor gegründeten internationalen Gletscherkommission. Heute wird dieser vom World Glacier Monitoring Service (WGMS) bei uns am GIUZ weitergeführt. In diesem Bericht wurden schon damals systematische Beobachtungen der Gletscherveränderungen von allen grösseren Gebirgen der Welt dokumentiert, von den Alpen, dem Kaukasus, Himalaya und sogar von den Gebirgen Neuseelands. Die Tendenzen waren gemischt und reichten von leichten Gletschervorstösssen bis zu -rückzügen. Von Island oder Grönland wurden aber noch keine Beobachtungen berichtet.
Forel, F.A. and L. DuPasquier (1895): Les variations périodiques des glaciers. Discours préliminaire. Extrait des Archives des Sciences physiques et naturelles XXXIV, p. 209-229.
World Glacier Monitoring Service (WGMS)
Dies bedeutet aber keineswegs, dass dort keine Gletscherforschung betrieben worden wäre. Im Gegenteil, im Jahr 1895 hat die amerikanische Salisbury Expedition die Westküste von Grönland erforscht und detaillierte Beobachtungen zu den küstennahen Gletschern und den Auslassgletschern des Eisschildes gemacht. Unter anderem wurden auch die Eiskappen auf Disko Island und der kalbende Bowdoin Gletscher im Nordwesten Grönlands besucht, Standorte, an denen noch heute Mitglieder des GIUZ glaziologische Feldforschung betreiben.
Salisbury R. D. (1895) The Greenland Expedition of 1895. The Journal of Geology, Vol. 3, No. 8, pp. 875-902.
Insgesamt zeigt der Rückblick auf das Gründungsjahr des GIUZ also schon damals eine intensive Auseinandersetzung der Forschung und Öffentlichkeit mit den Gletschern. Bis heute hat diese am GIUZ ihre Fortsetzung in Forschung und Lehre gefunden.
Andreas Vieli