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Der Satz «Ja, Meitli, wa häsch?» eröffnete die Veranstaltung am 25. April 2024, die Geschichte(n) feministischer Studentinnen am Geographischen Institut der Uni Zürich (GIUZ) aufarbeitete. Im Rahmen eines Forschungsseminars untersuchten Student:innen die Geschichte des GIUZ von den 1980ern bis heute und fokussierten sich dabei auf den Platz und die Entwicklung feministischer Theorien und Themen am Institut. An der Podiumsdiskussion wurden erste Ergebnisse vorgestellt, die historischen Entwicklungen des Instituts beleuchtet und die Relevanz der feministischen Geographie damals wie heute mit den drei geladenen ehemaligen Studentinnen Eva Buff Keller, Julia Sanz und Andrea Scheller diskutiert. In einer Zeit, in der Geschlechtergleichheit und Feminismus wieder verstärkt in den Fokus rücken, lud die Veranstaltung dazu ein, die Geschichte des GIUZ aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
«Ja, Meitli, wa häsch?» : Vor allem für Frauen stellten solche abfälligen Äusserungen von Dozenten allzu oft die Realität im Studium dar. In den 80ern machten die Frauen unter den Studierenden am GIUZ noch eine klare Minderheit aus und wurden als solche auch nicht wirklich ernst genommen. Es gab damals fast nur männliche Dozierende, bis 1996 waren ausschliesslich Männer als Professoren angestellt. Doch mutige Studentinnen stellten sich bereits damals gegen die starren Strukturen und setzten sich mit feministischen Themen und Theorien auseinander. Mit ihren Anfängen in den frühen 80ern bis zur Gegenwart haben feministische Studentinnen und ihre Bewegungen die geographische Forschung und Lehre am GIUZ kritisiert und geprägt. Die feministische Geographie untersucht den Zusammenhang von gesellschaftlicher Räumlichkeit und Geschlechterverhältnissen. So fing man damit an, sich mit genderspezifischen Forschungsfragen auseinanderzusetzen, die beispielsweise männerzentrierte Forschung infrage stellen und Frauen sichtbar machen, Geschlechterverhältnisse betrachten, Ungleichheiten und deren Wurzeln untersuchen und Gender als Konzept dekonstruieren.
Über zwei Semester hinweg betrieben verschiedene Studierende Archivrecherche und führten zahlreiche Interviews mit Zeitzeuginnen durch, um die Fragen 'Wann, wo und wie entstanden erste studentische Gruppen und Arbeiten zur feministischen Geographie am GIUZ, und in welchem institutionellen, intellektuellen und gesellschaftlichen Umfeld entwickelten sich diese Ideen und Arbeiten?’ zu untersuchen. Begleitend wurde auch eine Chronologie erarbeitet, die es ermöglicht, den ganzen Überblick über die verschiedenen Personen zu behalten, die im Lauf der Geschichte des GIUZ eine Rolle gespielt haben. Das Projekt wurde von Benedikt Korf, Professor für Politische Geographie, Gary Seitz, selbst Studierender in jener bewegten Zeit, und Livia Zeller, Semesterassistentin, begleitet.
An der Podiumsdiskussion vom 25.04.2024 wurden erste Ergebnisse vorgestellt und mit den drei geladenen ehemaligen Studentinnen Julia Sanz, Eva Buff Keller und Andrea Scheller diskutiert. In einem einleitenden Vortrag zeigten die vier Student:innen Lea Gärtner, Tobias Graf, Gian Grichting und Annika Hirsch den Rahmen auf, in dem sich die Studentinnen damals bewegten. In den 80ern machten die Frauen unter den Studierenden noch eine klare Minderheit aus und wurden als solche auch nicht wirklich ernst genommen. Vielen der Studierenden aus der kritischen Gruppe fehlte ein alternativer Input, und so suchten sie aus eigenem Antrieb Möglichkeiten, um eigene Wege zu gehen. Beispielsweise besuchten sie verschiedene Veranstaltungen im Ausland und organisierten auch selbst Seminare und Arbeitsgruppen, in denen sie sich mit feministischen Theorien vertraut machten und diese weitervermittelten. Mit ihren Arbeiten stiessen sie oft auf Unverständnis, und viele konnten bei ihren Diplomarbeiten nicht auf inhaltliche Unterstützung von ihren Betreuenden zählen, da diese weder informiert noch interessiert waren. So war einigen auch die Soziologie und Ethnologie eine wichtige Inspirationsquelle für Herangehensweisen und Thematiken, die man auch aus der geographischen Perspektive betrachten kann.
Eva Buff Keller war eine der ersten, die sich explizit mit Frauen befasste und deren Leben und Migration in den Bergregionen der Schweiz behandelt hat. Teilweise arbeiteten ganze 20 Student:innen freiwillig mit an der Kartierung und der Befragung, und Eva schaut voller Stolz darauf zurück: «Das war das beste Hochschul-Projekt meines Lebens, das ich gemacht habe». Dennoch bleiben Arbeiten wie diese die Ausnahme zu dieser Zeit, und nachfolgende Studentinnen mussten immer noch um die Anerkennung ihres Themas kämpfen. Das Unwissen in der Geographie über feministische Theorien blieb bis in die späten 80er bestehen, und Julia schaut in der Podiumsdiskussion auf ihre Zeit am GIUZ zurück: «Immer die Frau war eigentlich unser Thema und das hat eigentlich niemand wirklich interessiert».
In der Podiumsdiskussion, geleitet von Ella Schubiger, Oliver Keller und Leah Heuri, wurden die Veränderung über die Zeit und die Visionen für die Zukunft angesprochen. Allein schon ein Vergleich der drei Studentinnen über die Zeit zeigt, wie das Verständnis für Theorien und die Unterstützung von frühen feministischen Arbeiten sich entwickelt hat. So konnte Andrea ihre feministische Arbeit in den 1990er in einem viel offeneren Umfeld schreiben, und auch bezüglich des Themas veränderte sich ihr Schwerpunkt weg von der Frau selbst hin zu dem Verhältnis der Geschlechter. Dennoch musste sie sich die theoretischen Inhalte immer noch ausserhalb des GIUZ beschaffen, und sie erzählt, wie sie in ihren studentischen Gruppen, wie dem Frauenforum Naturwissenschaften, verschiedene Postulate zur Frauenförderung vorantrieben.
Um die Brücke zu heute zu spannen, wurde Karin Schwiter auf die Bühne gebeten, welche in den späten 1990ern studiert hatte und heute als Dozentin am GIUZ tätig ist. Sie erzählt, wie sich das Verständnis von Feminismus weiter verändert hat und darüber, wie heute sich auch mehr und mehr männliche Studenten in die feministische Geographie einbringen:
Auf die Frage, wie sie die heutige Situation einschätzen, antworten die Diskutantinnen dennoch auch ein wenig enttäuscht. Enttäuscht über die Gesellschaft, und auch über das Institut selbst, wo noch zu wenig Arbeit zur feministische Geographie gemacht würde. Sie berichten von ihren Visionen, die sie hatten, und wie weit die Gesellschaft heute noch davon entfernt sei. So meint Eva dazu: «Viele der Thesen und Forderungen, die wir damals aufgestellt haben, das ist heute immer noch nicht erfüllt oder gelöst. Also das hat mich nachdenklich gestimmt». Sowohl die Möglichkeiten der Frauen am GIUZ als auch grundsätzliche gesellschaftliche Annahmen und Vorstellungen waren ihnen ein Anliegen, für die sie sich einsetzten. Julia reflektiert über die Situation für Frauen und dabei insbesondere auch Mütter auf dem Arbeitsmarkt: «Wir sind noch eigentlich weit entfernt manchmal von dem, was im Alltag praktisch machbar wäre». So schätzt Andrea die Veränderung über die Zeit wie folgt ein: «Das war so mein feministischer Ansatz, dass wir so sein können, wie wir sind. Es gibt nur ein grosses Kontinuum und ich hoffte, diese Unterscheidung zwischen Mann und Frau würde an Wichtigkeit verlieren. Das ist ja dann nicht so rausgekommen».
Als Abschluss der Diskussionsrunde geben Eva, Julia und Andrea noch Ratschläge an die heutigen Studierenden und Frauen, welche genauso kämpferisch klingen wie ihre Geschichten dies erwarten lassen. Sie zeugen von einem Leben, das sich für Frauen eingesetzt hat. So meint Eva, dass sie stets mehr geleistet, stets zu viel gemacht hat im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen, und dass junge Frauen sich trauen sollen, auch mal weniger zu machen. Andrea stimmt dem zu, ergänzt aber auch: «Ich finde es auch ganz wichtig, dass man sich ermächtigt, dass man sich nicht als Opfer sieht und dann einfach sitzen bleibt, sondern man kann handeln, man kann Dinge verändern, man kann sich zusammentun. Ich finde, das sollte man».
Im Anschluss an die spannende Podiumsdiskussion wurde die Runde geöffnet, und das Publikum nahm rege an dem darauffolgenden Gespräch teil. Es wurde viel über die Verantwortung gesprochen und wie Männer diese auch übernehmen können. Das Thema der Teilzeitstellen wird oft als Lösung für Frauen auf dem Arbeitsmarkt gesehen, das Problem der Kinderbetreuung löst es jedoch nicht. Auch aus dem Publikum werden Geschichten geteilt, die auch die Verantwortung der Lösungssuche tangieren. So meint eine Teilnehmerin, dass sie sich eigentlich täglich mit diesem Thema auseinandersetzte, ihr Mann dies aber nicht machte, allein schon, weil er durch seine Machtposition auch nicht müsse. Teilzeitstellen für Eltern sind ein gemeinsamer Effort, den Männer bereit sein müssen zu teilen. «Aber da müssen die Männer auch bereit sein, Platz zu machen und halt den halben Lohn zu nehmen, was viele Männer nicht gerne machen», sagt Julia. Auch hier geht es wieder um die Veränderung über die Zeit, was erreicht wurde und was eben auch nicht.
Die Generationenfrage kommt auf, und wie fest man das Unwissen und Unverständnis älterer Menschen hinnehmen soll, aber eigentlich stimmen die meisten Julia zu: «Und man kann sagen, es ist eine andere Generation oder, kann man ja vielleicht entschuldigen, aber auch diese Leute, finde ich, muss man konfrontieren damit». Es wird sich Mut zugesprochen im Raum, Erlebnisse und Visionen geteilt.
«Es ist eben eine ständige Herausforderung in unserer Gesellschaft, nicht nur vom Arbeitsplatz. [...] Man muss immer dranbleiben und das ist anstrengend. Aber es ist auch etwas Schönes, wenn es gelingt. Aber das muss man wissen, das ist nicht der einfache Weg.» - Eva Buff Keller
Als es wieder ums GIUZ konkret geht, wird diesmal das Studium angesprochen. Einerseits geht es dabei darum, was das Studium für das Verständnis von Feminismus leistet, und ob dies genug ist, andererseits um den Aktivismus der Student:innen von heute. Man ist sich nicht eins, ob im Studium dem Feminismus mehr Platz eingeräumt werden soll. So wird man innerhalb verschiedener Module auf das Thema sensibilisiert und verschiedene Aspekte und Theorien werden bereits vermittelt, eine andere Teilnehmerin meint hingegen, man könne sich gut davor drücken. Darauf aufbauend geht es auch um das eigene Interesse und Engagement. Die Podiumsdiskussion lud tatkräftige Frauen ein, die sich damals im Studium für Frauenrechte und feministische Themen stark gemacht haben. Die heutigen Student:innen engagieren sich im Vergleich dazu wenig bis gar nicht, was aber nicht zuletzt an der veränderten Art zu studieren und den damit verbundenen wenigen Freiheiten im Semester liegt. Gleichzeitig kommt auch zur Sprache, wie die Jungen heute darüber reden und sich auch in Diskussionen positionieren. Feminismus heute sei, sich trotz all dem Fortschritt immer noch für eine Besserung einzusetzen und auch Missstände zu konfrontieren. So meint Oliver, einer der studentischen Moderatoren: «Ich glaube, bei dieser Thematik kann man sagen, dass sie uns dennoch alle betrifft, egal, ob man sich angesprochen fühlt oder nicht». Auch Karin greift das Engagement der Studierenden heute auf: «Also da, wo sich etwas bewegt, da finden die heißen Diskussionen statt und ich finde es eigentlich total spannend, so wie ich die aktive, die momentane Studierendengeneration erlebe, dass sie in vielen Fällen hinterfragen: ‘Welche Welt wollen wir überhaupt? Welche Gesellschaft wollen wir überhaupt?’»
Die aufbrecherische Stimmung zieht sich auch durch den Abschluss der Diskussion durch und vielerorts hört man die Diskussionen auch noch beim Apéro danach. Das Thema bewegt, und ein Ende der Kontroversen um den Feminismus ist noch nicht absehbar.