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Mithilfe von Direktvermarktung und extensiver Landbewirtschaftung versucht die «Solidarische Landwirtschaft» den negativen Folgen des globalen Agrarsektors entgegenzuwirken. In der Deutschschweiz beschränkte sich diese Landwirtschaftsform lange auf die Gemüseproduktion. Doch das Angebot an Produkten steigt.
Die solidarische Landwirtschaft (Solawi) schlägt einen neuen Weg im Nahrungsmittelsektor ein. Dafür setzt sie auf Direktvermarktung, längerfristige Abnahmeverträge zwischen Konsument*nnen und Produzent*nnen und umweltbewusstes Landwirtschaften. Umgesetzt wird dies in der Regel in Form eines Jahresabonnements mit wöchentlichen Lieferungen. Bei einer Führung auf dem Hof des solidarischen Landwirtschaftsprojekts «radiesli» im Kanton Bern im Rahmen des Moduls GEO433 «Global Economic Geographies of Agriculture and Food Systems» wurde mein Interesse an dieser alternativen Landwirtschaftsform und ihrer Weiterentwicklung geweckt. Denn diese Solawi bietet neben Gemüse seit einigen Jahren auch Fleisch, Eier, Obst und diverse weitere Produkte an. Im Rahmen meiner Masterarbeit führte ich insgesamt 13 Interviews mit Beteiligten von sieben unterschiedlichen Solawis in der Deutschschweiz durch. Welche Entwicklungen sind zu beobachten? Und welche Herausforderungen bringen diese Entwicklungen mit sich?
Nicht nur «radiesli» bietet neue Produkte aus solidarischer Landwirtschaft an. Mittlerweile können in der Deutschschweiz verschiedenste Produkte von Solawis bezogen werden. Ein spannendes Beispiel ist die Zürcher Milch-Solawi «basimilch»: Ein bereits existierender Milchbetrieb stellte vor einigen Jahren schrittweise und erfolgreich auf solidarische Landwirtschaft um und zeigte damit, dass sich die Idee der Direktvermarktung und der Risikoteilung zwischen Konsumierenden und Produzierenden keinesfalls auf die Gemüseproduktion beschränken muss. Andere Deutschschweizer Solawis produzieren und vertreiben inzwischen Fleischprodukte, Obst, Säfte, Honig, Getreide und Eier. Vereinzelt sind sogar internationale Kooperationen zwischen Deutschschweizer Solawis und Produzent*nnen im Ausland entstanden, welche die Produktion und den Vertrieb von Kaffee und Olivenöl nach solidarischen Landwirtschafts-Prinzipien fördern.
Durch die steigende Produktvielfalt werden Solawis attraktiver für Konsumierende und zeigen gleichzeitig auf, dass diese alternative Wirtschaftsform auch auf neue Bereiche übertragbar ist. Doch der Entwicklung stehen auch Hindernisse entgegen: Viele der befragten Solawis würden gerne mit neuen Produkten experimentieren, es fehlt jedoch schlichtweg die Landfläche dazu. Bei Produkten mit einer komplexeren Wertschöpfungskette wie zum Beispiel Getreide oder Käse stellt neben der Anbaufläche auch die erforderliche Infrastruktur eine Herausforderung dar. Eine Getreidemühle oder ein Keller für die Reifung von Käse ist kapitalintensiv und bringt somit ein grösseres Risiko mit sich, als es bei der Gemüseproduktion der Fall ist. Zusätzlich erschweren die mangelnden Erfahrungswerte im Anbau und Vertrieb dieser neuen Produkte die Erweiterung der Produktvielfalt von Solawis in der Deutschschweiz.
Der Grossteil der Solawis in der Deutschschweiz konzentriert sich weiterhin auf die Gemüseproduktion. Dies gilt besonders für die kleineren Projekte, da mit der Gemüseproduktion relativ schnell und unkompliziert gestartet werden kann. Dennoch ist es einigen Solawis gelungen, die Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft erfolgreich auf neue Produkte anzuwenden und so einen Weg für zukünftige solidarische Landwirtschaftsprojekte zu ebnen.
Lucas Schümperlin