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Wer die Gefahren einer geplanten Skitour einschätzen will, nützt oft eine web-basierte Plattform zur Lawinenprävention. Die Analyse dieser Daten ermöglicht einzigartige Einblicke in das menschliche Verhalten in lawinengefährdetem Gelände.
Lange hat sich die Lawinenforschung auf die geophysikalischen Aspekte von Lawinen, namentlich Wetter, Gelände und Schneedecke, konzentriert. Der vierte Aspekt - der sogenannte menschliche Faktor - blieb weitgehend unbeachtet. Eine genaue Definition dafür gibt es nicht. Meist wird dieser «menschliche Faktor» als eine Kombination von Risikoneigung, Fehleinschätzungen, Haltung, Druck und anderen Aspekten beschrieben, welche die Entscheidungsprozesse beeinflussen.
Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) verfügt über einen grossen Datensatz geplanter Skitouren, welcher noch weitgehend unerforscht war. Gesammelt wurden diese Daten mit Hilfe der Lawinenpräventionsplattform «White Risk» des SLF. Diese Plattform umfasst unter anderem ein kartengestütztes Routenplanungstool. Die geplanten Routen können auf eine Handy-App heruntergeladen und als Navigationshilfe im Gelände verwendet werden. Die Analyse dieses Datensatzes ermöglichte es, neue Erkenntnisse über die Entscheidungsfindung bei der Planung von Skitouren zu gewinnen.
Im Rahmen dieser Masterarbeit wurden insgesamt 150'000 geplante Touren aus dem gesamten Schweizer Alpenraum gefiltert und aufbereitet. Viele Teilrouten, Routen in nicht-alpinem Gelände und generell unrealistische Routen wurden aus dem Datensatz entfernt. Die verbleibenden 56'000 Routen wurden anschliessend mit Methoden der Computational Movement Analysis (CMA) analysiert. Anpassungen an diesen Methoden waren jedoch notwendig, da die Routendaten im Gegensatz zu typischen Bewegungsdaten keine zeitliche Dimension aufweisen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, welche die (geplant) bevorzugten Tage und Monate für Skitouren sind und für welche Gebiete eine grosse Anzahl von Touren geplant wurde. Diese Ergebnisse deckten sich mit den tatsächlich durchgeführten Skitouren, wie eine andere Studie (Techel et al., 2015) zeigte, die Einträge auf Social-Media Plattformen analysierte. Zudem stimmte ein grosser Teil der benutzer-definierten Lawinengefahr mit den Daten des SLF überein. Das weist auf einen adäquaten Umgang mit Lawinenbulletins während des Planungsprozesses hin.
Aus der Kombination von benutzer-definierten Lawinengefahren und Geländemerkmalen war ersichtlich, dass die Benutzer die geplanten Routen entsprechend der prognostizierten Lawinengefahr anpassen. Für Tage mit höherer Lawinengefahr werden weniger steile Routen und weniger extreme Geländeformen gewählt.
Diese Arbeit liefert die ersten vertieften Einblicke in das Routenplanungsverhalten von Wintersportlern im alpinen Gelände. Sie hat damit eine Grundlage für weitere Forschung geschaffen und soll dazu beitragen, das Wissen über den menschlichen Faktor bei Lawinenabgängen zu erweitern und die Entwicklung zukünftiger Präventionsmassnahmen für Lawinenunfälle zu unterstützen.
Diese Methoden zur Analyse geplanter Bewegungsdaten sind nicht nur auf geplante Skitouren anwendbar, sondern können auch für verschiedene andere Bewegungsarten wie Jogging, Radfahren usw. verwendet werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Masterarbeit den Ausgangspunkt für weitere wissenschaftliche Studien über geplante Bewegungsbahnen setzt und neue Ansätze für den wissenschaftlichen Fortschritt in verschiedenen Bereichen eröffnet.
Christoph Schönenberger