Navigation auf uzh.ch

Suche

Department of Geography

«Ober mal wett hürate?» oder die Geographie der Schweizerdeutschen Grammatik

Oder würden Sie eher sagen «ober mal hürate wett»? Die räumliche Ver­teilung grammati­kalischer Muster im Schweizer­deutschen untersuchte ein inter­disziplinäres Team der Universität Zürich und der EPFL und zeichnete damit die Spuren historischer Migrationen nach.

Wedding

Über 3'000 Personen gaben zu diesem und über 100 weiteren Beispielsätzen Auskunft über den Satzbau, den sie in ihrer Alltagssprache verwenden. Die Daten wurden im Syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz (SADS) zusammen­gefasst. Diesen untersuchte ein interdisziplinäres Team um Peter Ranacher (Geographic Information Systems) mit Hilfe von Methoden aus der Evolutions­biologie, die ursprünglich dazu entwickelt wurden, räumliche Cluster in der genetischen Zusammensetzung einer Bevölkerung aufzuspüren.

Versteckte Dialektregionen

Im Alltag verwenden die meisten Menschen jedoch neben ihrem lokalen Dialekt auch Varianten angrenzender Regionen. «Wir beobachten häufig ein so genanntes Dialektkontinuum«, sagt Noemi Romano, Masterstudentin und Erstautorin der Studie, «das macht es schwierig, die Dialektregionen zu kartieren.» Die Forschenden verwendeten dazu die Methode des sogenannten Bayes'schen Clustering. Sie erlaubt, sowohl graduelle Übergänge als auch eindeutige Grenzen zu erkennen und somit versteckte räumliche Muster zu erkennen. Die Ergebnisse zeigten fünf verschiedene Populationen, die weitgehend den traditionellen Dialektregionen entsprachen.

  • Map 2. Admixture proportions of Oberwallis population

    Anteil an der Population «Oberwallis»

  • Map 3. Admixture proportions of Bern population

    Anteil an der Population «Bern»

  • Map 4. Admixture proportions of Northern population

    Anteil an der «nördlichen» Population

  • Map 5. Admixture proportions of Swiss base population

    Anteil an der Population «Swiss base»

  • Map 6. Admixture proportions of Graubünden population

    Anteil an der Population «Graubünden»

Historische Ereignisse nachzeichnen

Besonders spannend war, dass die Forschenden mit den Dialektdaten historische Ereignisse, wie beispielsweise die Walserwanderung, nachzeichnen konnten. Ab dem 13. Jahrhundert verliessen Oberwalliser Bergbauern das Rhonetal und zogen in Alpentäler im Berner Oberland, in Uri und in Graubünden. «Die Spuren dieser Wanderung sehen wir noch heute anhand von grammatikalischen Ähnlichkeiten in den lokalen Dialekten», sagt Peter Ranacher. «Damit haben wir einen wichtigen Baustein in der Hand, um die historische Entwicklung der Schweizerdeutschen Dialektlandschaft weiter zu entschlüsseln».

Die Satzstellung bei Modal- und Vollverben wie «heiraten» und «wollen» ist nur eines von vielen grammatikalischen Phänomenen des Schweizerdeutschen. Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) sammelt und kartiert 54 solcher oder ähnlicher Phänomene auf 216 Karten und zeigt so die räumliche Verteilung der Schweizerdeutschen Grammatik. Erkunden Sie selbst die Daten und wählen Sie aus verschiedenen Darstellungsarten!

Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz

Literatur

Romano, Noemi; Ranacher, Peter; Bachmann, Sandro; Joost, Stéphane (2022): Linguistic traits as heritable units? Spatial Bayesian clustering reveals Swiss-German dialect regions. In: Journal of Linguistic Geography 10(1). Cambridge: Cambridge University Press. 1–12.

Communications

Unterseiten

Weiterführende Informationen

Kontakt

Dr. Peter Ranacher

Geographic Information Systems 
Geographisches Institut, UZH
Tel: +41 44 635 65 34

Geographic Information Systems

URPP Language and Space, Universität Zürich

Deutsches Seminar, Universität Zürich

Laboratory of Geographic Information Systems, École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL)