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Was bedeutet die Digitalisierung für mobile Karten? Warum sehen sich Kartenapps so ähnlich? Unterstützen sie uns optimal bei unserer Mobilität?
Wie Digitalisierung dazu beitragen kann, mobile Karten individueller zu gestalten und Mobilität inklusiver zu machen.
Für das Zurechtfinden in unbekannten Gebieten nutzen wir seit jeher Karten. Heutzutage haben wir als digitale Gesellschaft mobile Karten auf unseren Smartphones immer und überall zur Hand. Unser digitales Leben erfasst damit auch unsere Mobilität – also die Bewegung im Raum, um unterschiedliche Aktivtäten, Interessen und Ziele zu verwirklichen. Mobile Karten stellen somit ein wirkungsvolles Werkzeug zur Befähigung vieler Nutzerinnen und Nutzer dar und können deren Mobilitätsaspekte dank mobiler Kartenapps massgeblich unterstützen. Mit Befähigung ist hier gemeint, dass wir Menschen unsere Fähigkeiten mithilfe von Technologie erweitern und Dinge tun können, zu denen wir sonst nicht in der Lage wären.
Allerdings entstehen bei der Nutzung mobiler Karten auch vielfältige Herausforderungen, wie zum Beispiel die Bevormundung durch Technologie, Überautomatisierung, möglicher Kontrollverlust oder Informationsflut. Weitere Herausforderungen sind die digitale Zugänglichkeit in Bezug auf unterschiedliche Nutzungssituationen und Aufgaben, oder ein breites Spektrum an Anwendergruppen mit individuellen Unterschieden zwischen einzelnen Nutzerinnen und Nutzern. Mit unserer Forschung wollen wir nicht nur digitale Zugänglichkeit, positive Nutzererfahrung und inklusives Design erreichen, sondern auch zum digitalen Wohlbefinden bei der Nutzung mobiler Karten beitragen – zum Beispiel zu einer Balance zwischen funktionaler Unterstützung und Kontrollverlust respektive funktionaler Beeinträchtigung.
Die Rolle digitaler Kartenapps in der alltäglichen Mobilität
Wir wissen inzwischen, dass viele Menschen Mühe mit dem Lesen von Karten haben. Dies kann unter anderem an mangelnden Fähigkeiten für räumliches Vorstellungsvermögen liegen, oder aber an den Umständen der Kartennutzung oder der Kartengestaltung. Das zugrundeliegende Gestaltungsparadigma mobiler Karten berücksichtigt die besonderen Herausforderungen der mobilen Nutzung kaum und ist im Wesentlichen seit den Papierkarten unverändert geblieben. Dies wiederum kann zu Problemen mit der Benutzerfreundlichkeit und der Befähigung der Nutzerinnen und Nutzer führen. Moderne Designansätze wie Responsive-Web-Design und Mobile-First-Design konzentrieren sich überwiegend auf allgemeine Usability-Fragen und weniger auf die grundlegenden Merkmale und Herausforderungen des mobilen Anwendungsfalls. Bislang folgt das mobile Kartendesign hauptsächlich einem statischen, standardisierten Kartendesignansatz, der aus dem Webmapping oder dem Papierkartendesign stammt.
Die Omnipräsenz von Smartphones mit ihren zahlreichen und modernen Sensoren eröffnet jedoch die grosse Chance, Informationen über den Nutzungskontext mobiler Karten zu erlangen und so Methoden zur Kartenanpassung zu entwickeln, die unterschiedlichen Nutzungssituationen, Aufgaben und einem breiten Spektrum von Menschen mit gruppenbezogenen und individuellen Unterschieden sowie unterschiedlichen Wissensständen gerecht werden.
Wie nutzen Leute Kartenapps im Alltag?
Die Digitalisierung bildet zunehmend eine Brücke zwischen der physischen und der digitalen Welt. Viele alltägliche Aktivitäten, die wir bisher nur im physischen Raum durchführen konnten, werden nun zunehmend in die digitale Welt und auf digitale Plattformen verlagert. Mobile Karten stellen hier eine wichtige Schnittstelle zwischen Informationen im physischen und digitalen Raum dar. Aber wissen wir eigentlich, wann, wo, wie und wie oft mobile Karten im Alltag genutzt werden?
Leider gibt es nur sehr wenige Studien, die die Nutzung mobiler Karten in Alltagsumgebungen erforschen. Daher hat das aktuelle Projekt "MapOnTap" das Ziel, das Verhalten von Leuten im Umgang mit mobilen Karten im Alltag zu erfassen und zu modellieren. Wir haben dabei mittels "ambulantem assessment" (AA) Daten zur Nutzung von Kartenapps über einen längeren Zeitraum im Alltag von Leuten erfasst. Weil die beteiligten Personen dabei ihre eigenen Smartphones kontinuierlich benutzen und nicht durch eine Beobachtungsperson gestört sind, können wir so objektive Messungen des Verhaltens und der Umwelt vornehmen. Mittels der Smartphone-Sensoren messen wir die Position (GPS), die Bewegung (Beschleunigungssensor), das Umgebungslicht (Lichtsensor) und Berührungen des Bildschirms. Der letzte Punkt liefert Daten für die Tappigraphie, mittels derer wir die Interaktionen mit den Apps auf dem Smartphone in hoher zeitlicher Auflösung analysieren können.
Anpassung und Automatisierung von mobilen Karten
Aus diesen Daten lässt sich das Informationsverhalten ableiten und modellieren – ein Bezug von Mobilität zu anderen Kontextfaktoren kann damit hergestellt werden. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur Unterstützung mobiler Nutzeraktivitäten auf noch feinerem Niveau. Während die Darstellung des eigenen Standorts auf einer mobilen Karte mittels GPS-Lokalisierung bereits eine Form der Automatisierung darstellt, lassen sich durch maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz weitergehende, adaptive Verhalten in mobile Karten integrieren. So können etwa Modelle physische und digitale Kontextfaktoren, Nutzerverhalten, kognitive und emotionale Zustände wie zum Beispiel kognitive Belastung sowie Nutzerfähigkeiten und -präferenzen lernen und die Kartenapps daraufhin anpassen.
In Zukunft erhoffen wir uns, dass mobile Kartenanwendungen in Echtzeit an das Nutzerverhalten im physischen und digitalen Raum angepasst werden können, indem gleichzeitig die Informationskomplexität der Karten reduziert wird und durch das Hervorheben wichtiger Informationen für Nutzerinnen und Nutzer die Karten individualisiert werden.
Auch wenn solche adaptive Kartenapps viele Vorteile versprechen und zu einer inklusiveren Nutzung führen können, werfen sie neben grundlegende Fragen zur Effektivität und Nutzerakzeptanz auch drängende Fragen der Kontrollierbarkeit, Bevormundung, Überautomatisierung, sowie Verletzung der Privatsphäre auf, die es zu erforschen und zu lösen gilt. Viele dieser Themen berühren auch datenbezogene, rechtliche und ethische Gesichtspunkte, die wir in der DSI Community Mobility der Digital Society Initiative (DSI) an der Universität Zürich interdisziplinär angehen.